Das Gorilla-Experiment
Selektive Wahrnehmung - Warum Schüler nicht zuhören 29.01.2013, 16:31
Schüler/innen HÖREN die Ermahnungen ihrer Lehrer/in oft einfach nicht, sie filtern sie einfach weg. Erfahren Sie eine solch selektive Wahrnehmung am eigenen Gehirn durch ein kurzes Video (das "Gorilla-Experiment").
Das in diesem Beitrag besprochene Phänomen trägt den etwas sperrigen Namen "Unaufmerksamkeitsblindheit". Zahlreiche weitere Formen der selektiven Wahrnehmung spielen in Pädagogik und Unterricht eine Rolle, werden hier aber nicht behandelt (z.B. aus dem Genderbereich: Jungen werden häufiger getadelt und häufiger gelobt als Mädchen - Klaus Ulich (2001): Einführung in die Sozialpsychologie der Schule, S. 109ff (entsprechendes Kapitel als PDF)).
BEVOR Sie weiterlesen, betrachten Sie den folgenden kurzen Film (1:21). Sie sollen dabei zählen, wie oft die Mannschaft in den weißen Trikots den Ball wirft.
Das ist das erstaunliche "The Invisible Gorilla"-Experiment von Christopher Chabris und Daniel Simons. Ungefähr die Hälfte aller Menschen sehen den Gorilla nicht. Wer ihn gesehen hat oder den Film schon kennt, kann das weiterführende Video "The Monkey Business Illusion" betrachten. Zum Experiment haben die Forscher ein Buch veröffentlicht: Der unsichtbare Gorilla: Wie unser Gehirn sich täuschen lässt.
Christopher Chabris fasst zusammen:
Den Gorilla nicht zu bemerken, ist eine unserer natürlichen Fähigkeiten und es ist sehr wichtig für uns, unsere Aufmerksamkeit konzentrieren zu können. Wir müssen in der Lage sein, Ablenkungen zu filtern. Sie dürfen uns nicht bei wichtigen Aufgaben stören.
Der Schlüssel ist folgender: Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen Aspekt der Welt lenken, haben Sie für die anderen Dinge nur noch eine begrenzte Aufnahmefähigkeit. Wir nehmen nur die Dinge wahr, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten. Das Problem ist, dass wir gelegentlich Dinge herausfiltern, die wir besser bemerken sollten.
YouTube: »Der unsichtbare Gorilla« Christoph Chabris, Daniel Simmons; Piper Verlag, Hervorhebung Lehrerfreund
Das ist der Punkt, der für Lehrer/innen überaus aufschlussreich ist. Besonders Kinder (in eingeschränkterem Maße auch Jugendliche und Erwachsene) filtern Ereignisse weg, von denen wir wie selbstverständlich erwarten, dass sie bemerkt werden müssen. Beispiel:
Wenn sich zwei Schüler während des Unterrichts flüsternd über ein neues Computerspiel oder eine neue Freundin unterhalten, dann ist das für sie natürlich wesentlich wichtiger als der gleichzeitig stattfindende Lehrervortrag. Wenn nun die Lehrer/in die Jungs um Ruhe bittet und diese absolut nicht reagieren, sondern weiterflüstern, dann wird das von der Lehrer/in möglicherweise als Akt der Provokation aufgefasst ("Sie ignorieren mich."). Dabei tun die beiden Schüler nur, was sinnvoll ist: Sie konzentrieren sich auf das wirklich Wichtige und blenden die Umwelt aus. Möglicherweise wiederholt die Lehrer/in die Ermahnung ein zweites Mal etwas lauter und wird wieder ignoriert, was zu einem Zornesausbruch mit drakonischen Strafen führen kann.
Natürlich haben Gespräche über Computerspiele oder neue Freundinnen nichts im Unterricht zu suchen (?). Überaus wichtig ist aber die Erkenntnis, dass die beiden Schwätzer weder die Autorität der Lehrer/in willentlich untergraben noch die Lehrer/in provoziert haben, sondern lediglich eine natürliche und sinnvolle menschliche Verhaltensweise an den Tag gelegt haben. Die Ermahnung der Lehrer/in war sozusagen der Gorilla, während die Schüler/innen die Pässe mit dem Basketball gezählt haben. Kein Wunder, dass die Ermahnung trotz ihrer Eindringlichkeit nicht wahrgenommen wurde.
Für diese Erkenntnis ist der Film oben sehr hilfreich.