Guter Unterricht = gute Klassenarbeit
Note ‘Eins’ wird zu selten vergeben 02.10.2011, 22:18
Wenn Sie Ihren Unterricht ordentlich durchführen, sollte eigentlich in jeder Ihrer Klassenarbeiten mindestens ein/e Schüler/in die beste Note bekommen. Häufig bleibt die beste Note jedoch den 'Ausnahmetalenten' vorbehalten - was die Idee der Notengebung pervertiert.
Wir gehen grundsätzlich von einer Notenskala von 1 (beste Note) bis 6 (schlechteste Note) aus. Die Ausführungen sind natürlich ebenso gültig für andere Skalen (z.B. Schweizer Notenskala: 6 bis 1, österreichische Notenskala: 1 bis 5, deutsche Oberstufenskala: 15 bis 0).
Sehen Sie sich die Noten der letzten 10 Klassenarbeiten oder Klausuren an, die Sie als Lehrer/in schreiben haben lassen. Sie haben wahrscheinlich kaum eine Arbeit mit einer glatten Eins bewertet.
Sie sind nicht die/der Einzige. Dass Lehrer/innen mit der absolut besten Note (z.B. 1.0) geizen, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Ausnahmen bilden Klassenarbeiten oder Tests, durch die vor allem erlernbares Wissen abgefragt wird (Vokabeltests, unoriginelle Biologie- oder Geschichtsarbeiten). Außerdem wird in unteren Schulstufen (Primarstufe, Anfang der Sekundarstufe I) die beste Note aus pädagogischen Gründen öfter vergeben als in den Klassen 7 aufwärts.
Was ist die "beste Note"?
In Deutschland wird die Note "sehr gut" (d.h.: eine Eins oder 15 Punkte) erteilt, "wenn die Leistung den Anforderungen im besonderen Maße entspricht", für "gut" muss "die Leistung den Anforderungen voll" entsprechen. Für Österreich lesen wir:
Mit "Sehr gut" sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten Anforderungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehrstoffes sowie in der Durchführung der Aufgaben in weit über das Wesentliche hinausgehendem Ausmaß erfüllt und, wo dies möglich ist, deutliche Eigenständigkeit beziehungsweise die Fähigkeit zur selbständigen Anwendung seines Wissens und Könnens auf für ihn neuartige Aufgaben zeigt.
ZUM-Wiki: Schulnoten, s.a. z.B. Wikipedia: Notenbildungsverordnung (Baden-Württemberg)
Eine "Eins" nur in Ausnahmefällen
Die meisten Lehrer/innen vergeben nicht gerne die absolut beste Note. Wer alle Anforderungen "voll" erfüllt, bekommt eine Zwei, das steht ja auch in den Notenverordnungen. Nur Genies, die den Anforderungen "in besonderem Maße" entsprechen, bekommen eine Eins.
Dabei sollte bei korrekt durchgeführtem Unterricht ein/e Schüler/in, die
- im Unterricht aufpasst,
- ihre Hausaufgaben macht,
- auf die Klassenarbeit genügend lernt und
- ein der Schulform entsprechendes Intelligenzniveau hat,
die beste Note ohne Probleme erreichen können. Denn Noten haben folgende Funktionen:
- Leistungsmessung
- Sozialisierung
- Rückmeldung/Bericht
- Anreiz/Disziplinierung
In keiner Notenverordnung und in keiner pädagogischen Schrift zur Notenvergabe ist die Rede davon, dass Notengebung auch die Funktion der "Genieidentifizierung" haben soll. Ein zentrales Prinzip der Notengebung ist dieses: Es kann nur bewertet werden, was vorher gelernt und geübt wurde. Der Gedanke, dass eine "Eins" nur an Genies oder Ausnahmetalente vergeben wird, pervertiert den Gedanken der Notengebung vollständig.
Der Umkehrschluss ist ebenfalls eindeutig: Wenn eine Eins bedeutet "Du bist ein Genie", dann bedeutet eine Sechs: "Du bist eine vollständige Null." Es versteht sich von selbst, dass eine solche Aussage in der Schule aus pädagogischen Gründen niemals getroffen werden darf und deshalb der Notenskala nicht implizit sein kann.
Eins muss sein
Wenn Sie Ihren Unterricht sehr gut (!) durchgeführt haben, müssen einige Schüler/innen in der Lage sein, eine Eins zu schreiben. Sollte das permanent nicht der Fall sein, haben Sie entweder nicht gut unterrichtet - oder der zu vermittelnde Stoff ist der Klasse nicht angemessen. In beiden Fällen besteht dringender Handlungsbedarf (Verbesserung des eigenen Unterrichts bzw. ein Appell an die Bildungsplankommission auf dem Dienstweg).