Unterrichtsmaterial Deutsch
Erzählperspektiven: Beispiele (Merkmale, Wirkung) 11.01.2015, 00:03
Die drei Erzählperspektiven personal, auktorial und neutral werden an Textbeispielen erklärt: Woran erkennt man sie? Welche Wirkung hat die Wahl der Perspektive auf die Leser/in? Die Textbeispiele liegen als Arbeitsblätter bzw. Folien vor und können so direkt im Deutschunterricht verwendet werden (Sek I/Sek II).
Voraussetzung für die Bearbeitung/Besprechung dieser Beispiele sind die Grundlagen zum Verständnis der Erzählperspektiven, die Sie hier finden:
Erzählperspektiven: Tafelbild, Erläuterungen + Arbeitsblatt
Die im folgenden besprochenen Textbeispiele können Sie hier herunterladen und als Folie oder Arbeitsblatt verwenden:
Folie/Arbeitsblatt - Textbeispiele zu den Erzählperspektiven (PDF)
Textbeispiele mit Erläuterungen
Beispiel 1: Personale Erzählperspektive
In ihm war nichts als dumpfe Trauer. Nur schemenhaft nahm er die Trauergäste durch seinen Tränenschleier wahr. Wie viele waren gekommen? Zwanzig? Hundert? Es war ihm egal. Die schwarze Menge wogte an ihm vorbei, er schüttelte Hände und hoffte, dass man ihn bald alleine lassen würde.
In der personalen Erzählperspektive erfahren wir eine Menge über das Innenleben des Protagonisten: Er ist traurig ("dumpfe Trauer"), nimmt seine Umwelt nur noch verschwommen war ("schemenhaft ..."), möchte alleine sein ("dass man ihn bald alleine lassen würde"). Wir sehen die Szene durch die Augen des Protagonisten (die Menge "wogte an ihm vorbei"); wir wissen nichts über Vorgänge, die uns verborgen sind (oder auch: über die Zukunft, siehe nächstes Beispiel, wo der auktoriale Erzähler über zusätzliche Informationen verfügt).
Wirkung auf die Leser/in:
Der Leser kann sich in den Protagonisten hineinversetzen, seine Gefühle und Gedanken wahrnehmen, mit ihm trauern. Durch die personale Perspektive befindet sich der Leser mitten auf dem Friedhof, schüttelt Hände, die Menge wogt an ihm vorbei.
Beispiel 2: Auktoriale Erzählperspektive
Die meisten der knapp 150 Trauergäste wurden von Mitleid erfasst, als sie seine Tränen sahen. Hätten sie gewusst, was ihm noch bevorstand, wäre ihr Mitleid noch größer gewesen. Doch zum Glück wussten sie es nicht, und so kondolierten sie schweigend an ihm vorbei, und er musste widerwillig viel zu viele Hände schütteln.
Der Erzähler ist allwissend: Er kennt die Zukunft (dem Protagonisten steht ein hartes Schicksal bevor), er kennt die Gefühle des Protagonisten ("widerwillig") und der Trauergäste ("wurden von Mitleid erfasst"). Ebenfalls typisch: Der Erzähler kommentiert das Geschehen ("zum Glück").
Wirkung auf die Leser/in:
Der Leser ist rundum informiert und erhält (sofern es dem Erzähler beliebt) ein vollständiges Bild der Situation, der Personenkonstellation, der Handlungsstränge. Der Leser und der Erzähler gruseln sich gemeinsam vor dem zukünftigen, schrecklichen Schicksal des Protagonisten. Der Erzähler presst dem Leser seine Bewertung und Interpretation der Situation auf (das zukünftige Schicksal des Protagonisten wird so hart sein, dass es für die Trauergäste ein Glück ist, nichts darüber zu wissen).
Beispiel 3: Neutrale Erzählperspektive
Auf dem Friedhof waren etwa 150 Personen versammelt, die meisten davon schwarz gekleidet. Langsam bewegte sich die Schlange an Robert vorbei. Während die Leute ihm die Hand schüttelten, liefen ihm die Tränen über die Wangen.
In der neutralen Erzählperspektive werden Ereignisse, Situationen, Personen … sachlich und neutral geschildert ("camera eye"). Wir erkennen keinen kommentierenden, lenkenden … Erzähler (wie es in der auktorialen Erzählperspektive der Fall wäre), wir erhalten auch keine detaillierten Informationen zum Innenleben einer Person (wie in der personalen Erzählperspektive).
Wirkung auf die Leser/in:
Der Erzähler befindet sich im Hintergrund, Bewertungen oder Antizipationen muss der Leser selbst vornehmen. Die Wirkung hängt also von Details in Beschreibungen, Personenrede o.ä. ab. Eine genauere Beschreibung des tränenüberfluteten Gesichts würde dem Leser die Möglichkeit geben, sich die Situation vorzustellen, sie einzuordnen und zu bewerten.