Politikerversagen
Allensbach-Umfrage 2010: Die Deutschen wollen eine andere Bildungspolitik 03.04.2010, 22:13
Die Allensbach-Umfrage 2010 zeigt: Die Mehrheit der Befragten hat ein gutes Bild vom Lehrer, steht dem deutschen Bildungssystem jedoch kritisch gegenüber (u.a. Föderalismus, G8, Klassengrößen und Zusammenlegung von Hauptschulen und Realschulen). Ludwig Spaenle (CSU), Vorsitzender der KMK, sieht keinen Handlungsbedarf.
Die systematische Unzufriedenheit der Deutschen mit ihrem Bildungssystem kommt auch in der Allensbach-Umfrage 2010 ‘Aktuelle Fragen der Schulpolitik und das Bild der Lehrer in Deutschland’ (PDF) zum Ausdruck. 2.262 Personen aus allen Bundesländern wurden über ihre Zufriedenheit mit der Schulpolitik ihres Bundeslandes befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:
Ergebnisse 1: Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik
- Die Durchschnittsnote für die Schulpolitik der Länder liegt bei 3,6. Am besten wurde Bayern mit der Note 3,2 bewertet.
- 61% der Befragten wünschen sich ein zentralisiertes Schulsystem, in dem die Bundesregierung die Bildungspolitik macht.
- Nur 7% der westdeutschen Befragten halten die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit (“G8”) für gelungen.
- 68% glauben nicht, dass Hauptschüler durch die Zusammenlegung von Hauptschule und Realschule bessere Bildungschancen erhalten.
- 59% sehen in der Verkleinerung der Klassen das vordringlich zu lösende Problem.
- 54% wünschen sich weniger Unterrichtsausfall.
Kommentar: Ist die Bildungspolitik wirklich so schlecht?
Die Qualität von Politik wird von unterschiedlichen Menschen immer unterschiedlich beurteilt. Allerdings sind die genannten Ergebnisse im Bereich der Bildungspolitik nicht nur sehr eindeutig, sondern beziehen sich auch auf Entscheidungen, die ganz offensichtlich im Dienste eines Spar- und Leistungswahns getroffen wurden (G8, Klassengröße, Lehrerversorgung, Zusammenlegung Haupt-/Realschulen). Gerade das G8 und die Klassengröße stehen seit Jahren in permanenter Kritik der Öffentlichkeit, doch die gewählten Politiker/innen lassen sich nicht beirren. Kurzfristiges Sparen (Wahlzyklus!) ist den meisten Entscheidungsträger/innen wichtiger als eine nachhaltige Bildungspolitik.
Der Föderalismus im Bildungswesen führt dazu, dass alle Räder dauernd neu erfunden und viele Süppchen auf einsamer Flamme gekocht werden. Offensichtlich haben die Deutschen das verstanden - 61 Prozent sprechen sich für ein zentralisierteres Bildungssystem aus. Das würde fast für eine Grundgesetzänderung reichen.
Der oberste deutsche Bildungspolitiker Ludwig Spaenle (CSU, bayerischer Bildungsminister, Vorsitzender der KMK) sieht sich und die KMK angesichts dieser Zahlen nicht im Handlungsdruck:
Die Bildungspolitik sei bei den Bundesländern «sehr gut angesiedelt», sagte der KMK-Präsident und bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Donnerstag in Berlin.
Deutsche Schulen hätten in den vergangenen Jahren messbare Verbesserungen erzielt.
derNewsticker.de 01.04.2010: Spaenle: Bildungspolitik bei den Ländern «sehr gut angesiedelt»
Wie viele seiner Kolleg/innen, die auf den Evaluationszug aufgesprungen sind, hat auch Ludwig Spaenle sehr eigene Vorstellungen darüber, was “messbare Verbesserungen” sind (vgl. Lehrerfreund 14.02.2010: Wie Kultusministerien die G8-Pleite vertuschen; Lehrerfreund 29.03.2010: G8: Schülerleistung in Mathematik bricht ein).
Ergebnisse 2: Lehrerbild
- Haupteigenschaften einer guten Lehrer/in sind für die Mehrzahl die Fähigkeit, Kinder motivieren und begeistern zu können sowie eine hohe fachliche Kompetenz.
- 54% erkennen an, dass der Beruf anstrengender und fordernder geworden ist.
- 51% kritisieren, dass Lehrer/innen zu viel über ihre Belastung klagen.
- Personen ohne schulpflichtige Kinder haben grundsätzlich ein schlechteres Bild von Lehrer/innen als Eltern mit schulpflichtigen Kindern. Beispiele (alle Befragten / Eltern schulpflichtiger Kinder): Lehrer/innen wollen gerechte Noten geben (30% / 53%); Lehrer/innen lieben ihren Beruf (14% / 44%); Lehrer/innen gestalten den Unterricht interessant (19% / 47%).
Kommentar: Weitere Verbesserung des Lehrer-Images
Nach dem völligen Absturz des öffentlichen Ansehens von Lehrer/innen in den 1990ern, gekrönt von Schröders “faule Säcke”-Zitat, hat sich das Lehrer-Image in den letzten Jahren maßgeblich verbessert. Denn die strukturellen Mängel des Bildungssystems sind in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten, zunehmend rücken die Politiker/innen in den Fokus der Kritik. Vor allem die Eltern schulpflichtiger Kinder haben erkannt, dass nicht alle Lehrer/innen faule Stümper sind.
Mehr als die Hälfte der Befragten kritisieren außerdem, dass Lehrer/innen zu viel jammern. Die Diskussion, ob es sich dabei um ein Vorurteil handelt, widersetzt sich weiterhin hartnäckig jeder Lösung.