Neue Spicktechnologien, Teil II
Mini-Ohrhörer - Jede Prüfung bestehen ohne zu lernen 10.07.2017, 18:46
Perfekt schummeln: Zu den ganz modernen, exklusiven Spicktechnologien gehört die Verwendung von kabellosen Kommunikationssystemen, die mit fast unsichtbaren In-Ohr-Lautsprechern arbeiten, teilweise um ein Mikrofon ergänzt. So kann sich jeder die Prüfung vom großen Bruder in die Feder diktieren lassen. Das Preisspektrum beginnt bei unter 20 Euro für ein Komplettsystem, professionelle Systeme kosten schon mal 600 Euro.
Es dürfte noch eine Weile dauern, bis die Bildschirm-Kontaktlinse als Spickhilfe den ordinären Schüler erreicht hat. Akustische Technologien sind jedoch schon auf dem Massenmarkt angelangt. In sogenannten "Spyshops", bei ebay oder direkt aus den USA erhält man das notwendige Zubehör.
Unsichtbare In-Ohr-Systeme zur drahtlosen Kommunikation
Preiswerte Systeme
Vor allem auf ebay werden zahlreiche niedrigpreisige Produkte angeboten, die explizit für den Gebrauch des Spickens gedacht sind, z.B. hier auf ebay Deutschland für 21,99 Euro (gesichtet: 06.07.2017). Man legt sich einen kleinen, magnetischen Metallzylinder in den Gehörgang und hängt sich eine Induktionsschleife um den Hals, die mit dem Smartphone verbunden ist. Außerdem braucht man noch ein bis zwei 9-Volt-Block-Batterien, so dass man schon gut behängt ist.
Der Magnet für den Gehörgang ist winzig (Durchmesser je nach Anbieter etwa 2 Millimeter). Er wird mit einem mitgelieferten, etwas größerem und stärkerem Magneten wieder aus dem Gehörgang gesaugt. Der ebay-Anbieter "micro-spy-earpiece" bietet ein »Unvisible [sic] Earphone for exam cheating« für knapp 15 US-Dollar an, hier ist gleich noch ein gummiummantelter Magnetstab dabei »for easy and 100% sure take the magnet out.« (gesichtet: 06.07.2017)
Die Sound-Qualität dürfte mehr als lausig sein; die nächstbessere Produktstufe ist ab 30 Euro zu haben, hier wird das Produkt oben mit einem Ohrstöpsel (statt mit einem Metallzylinder) geliefert (Beispiel auf ebay):
Übrigens gibt es dort in der Produktbeschreibung ausführliche Empfehlungen, für wen dieser Mini-Ohrhörer geeignet ist - nämlich nicht nur für schummelnde Schüler/innen und Student/innen, sondern auch für "Businessman" (der sich bei Vorträgen und Verhandlungen soufflieren lässt), für Redner, Politiker usw.
Professionelle Systeme
Für etwas mehr Geld gibt es auch etwas mehr Technik - kleine, anatomisch geformte Ohrhörer, die über neueste Technologien wie Rauschunterdrückung oder Pegelangleichung verfügen.
Das Motorola RLN4922 Completely Discreet Earpiece Kit bspw. wird vom Hersteller so angepriesen:
Dieser Mini-Empfänger passt in Ihr Ohr - Sie können diskret und ohne sichtbare Technik kommunizieren. Obwohl der Empfänger so klein ist, hat er zahlreiche Funktionien wie automatische Rauschunterdrückung, automatische Pegelanpassung und Nebengeräuschfilter, Die austauschbare Batterie hält im Schnitt 100 Stunden; das Ende der Akkulaufzeit wird durch ein Signal angezeigt. Das Paket enthält einen drahtlosen Empfänger, eine um den Hals zu tragende Induktionsschleife ("inductive neckloop") [...] Kann mit jedem Standard-…-Motorola Überwachungs-Kit [Link] benutzt werden.
Dieses in erster Linie für Security- und Überwachungszwecke entwickelte, professionelle System ist für um die 300 US-Dollar zu haben (z.B. hier oder hier). Ein Promovideo des Herstellers Motorola:
Etwa das Doppelte (um die 600 Euro) muss man für den Phonak Phonito Nano hinlegen - »der weltweit kleinste Mini-Empfänger für verdeckte Ermittler«. Und wie es sich für verdeckte Ermittler (wie auch für mogelnde Schüler/innen) gehört, darf man nicht erwischt werden:
Mit seiner winzigen Formgebung, seinem sicheren Sitz und der den verschiedenen Hautteints angepassten Farbauswahl ist Phonito Nano mit bloßem Auge nicht sichtbar. Dank dieser Eigenschaften bleibt der Benutzer garantiert unerkannt und die Chance auf einen erfolgreichen Einsatz steigt.
Erhältlich z.B. bei KS Kommunikationssysteme zum Preis für 590,90 Euro (10.07.2017), wobei man mit der etwas unklaren Anmerkung »Induktive Hörer der Serie Phonak Phonito sind zur Zeit nicht über unser Shopsystem bestellbar. Gerne nehmen wir aber Anfragen von Behörden entgegen.« leben muss. Also wohl doch nur für verdeckte Ermittler und nicht für verdeckte Abschreiber/innen.
Bei ebay kann man ein paar Euro sparen, wie bei der aktuellen (10.07.2017) Auktion NEW Phonak Phonito Nano - für 400 US-Dollar ist man dabei:
Auf einer anderen Auktionsseite (Auktion schon beendet), wo ein »Mini-Empfänger Phonito Standard« für 399,- Euro Startpreis angeboten wurde, ist in der Produktbeschreibung zu lesen:
Mögliche Einsatzgebiete
Studenten/Schüler
Die Prüfung bestehen ohne zu lernen (Perfekt in Verbindung mit der Induktionsschleife)
Telefonieren mit einer Person, ohne dass es jemand anderes sieht.Geschäftstreffen
Holen Sie sich die nötige Informationen von Ihren Mitarbeitern in Echtzeit.Präsentationen für Geschäft, Schule, Theater usw.
wo auch immer Sie einen Text wiedergeben müssen, den Sie nicht auswendig können
Anwendungsbereiche
1) Schach
Der früheste belegte zivile Einsatz solcher Systeme ist im Bereich des Schachspiels verbrieft:
Beim Philadelphia World Open 2006 führte Steve Rosenberg, der in einer der unteren Klassen spielte, vor der letzten Runde. Ein Sieg hätte ihm 18.000 US-Dollar eingebracht. Bei einer Überprüfung durch einen Schiedsrichter wurde festgestellt, dass er ein drahtloses Kommunikationssystem aus Sender und Empfänger namens "Phonito" benutzte. Daraufhin wurde er disqualifiziert.
Wikipedia: Cheating in chess (Übersetzung Lehrerfreund)
2) Schule/Uni: Schummeln bei schriftlichen Prüfungen
Für Schüler/innen birgt ein solches System ungeahnte Möglichkeiten, da ein In-Ear-Ohrstöpsel quasi nur durch eine In-Loch-Leibesvisitation zu entdecken ist.
Bei schriftlichen Prüfungen, Klausuren oder Klassenarbeiten, wo die Aufgabenstellung von überschaubarer Länge ist, kann diese einem Komplizen durchgegeben werden (z.B. auf der Toilette via Mikro). Bei umfangreicheren oder komplexeren Aufgabenstellungen wird die Übergabe komplizierter, hier muss ein Zettel aus dem Toilettenfenster geworfen werden o.ä. Ein Abfotografieren der Aufgabenstellung und digitale Übermittlung wäre der eleganteste, aber definitiv für den Schummler der riskanteste Weg.
Sobald der fachlich kompetente Komplize die Aufgabenstellung erhalten hat, diktiert er dem Prüfling die Lösung, den Aufsatz, den Rechenweg ... komplett ins Ohr.
3) Schule/Uni: Schummeln bei mündichen Prüfungen
HIer liegt die technische Anforderung etwas höher, da die Raumgeräusche (sprich: die Fragen der Prüfer/innen) per Mikro eingefangen und drahtlos an den Komplizen übermittelt werden müssen.
Doch sobald diese technische Infrastruktur besteht, muss der Prüfling lediglich nachsprechen, was der Komplize ihm übermittelt. Mit etwas Übung wird der Prüfling dann auch die Lücken füllen ("Nun ... lassen Sie mich nachdenken"), während der Komplize im Buch blättert, um anschließend einen perfekten Vortrag in schriftsprachlichem Stil zu halten.
4) Vorträge, Präsentationen und Reden
Solche Situationen eignen sich perfekt - ohne die geringste Kenntnis kann man einen Vortrag halten, der die Zuhörer/innen in Ehrfurcht versetzt: sprachlich geschliffen, inhaltlich strukturiert und ohne das geringste Stocken. Einziger Schwachpunkt ist der Rückmeldekanal - man kann den Souffleur nicht aufhalten, wenn einem mal die Fernbedienung runterfällt oder jemand eine Zwischenfrage hat.
Fazit
Die Mogelaktion ist nicht ganz unriskant - man ist voll behängt mit Induktionsschleife, Kabeln, 9-Volt-Batterien und dem Ding im Ohr. Vor allem die heimliche Übermittlung schriftlicher Aufgaben an den Komplizen gleicht vom Anspruch er einem Ausbruch aus Alcatraz.
Doch wer diese Hürden nimmt und eine funktionierende technische Infrastruktur aktiviert hat, kann mit buchstäblich KEINEM Wissen hervorragende Noten erzeugen - in jedem Fach, bei fast jeder Art von Prüfung, Klausur oder Klassenarbeit. Das Risiko, erwischt zu werden, ist für Leute mit starken Nerven gleich Null. Eine Leibesvisitation kann man wohl zurückweisen, ein Otoskop für den Blick ins Ohr dürften Prüfer/innen wahrscheinlich nicht mit sich führen - noch nicht.