Lehrerliebe
Gerlinde Unverzagt: Ansprache an die LehrerfreundInnen 11.04.2006, 17:40
Am 12.03.2006 baten wir Gerlinde Unverzagt wegen des Lehrerhasserbuchs um eine Stellungnahme. Die haben wir jetzt erhalten: eine direkte Ansprache an die Lehrerfreund-LeserInnen.
Die Redaktion von Spiegel Online hat sich natürlich nicht gerührt; umso dankenswerter ist es, dass Gerlinde Unverzagt sich die Zeit genommen hat, eine Stellungnahme zu verfassen. Sie bezieht sich dabei direkt auf die 100 Kommentare zum Lehrerfreund-Beitrag “Das Lehrerhasserbuch: Offener Brief an Gerlinde Unverzagt” (12.03.2006).
Bei aller Dankbarkeit darf nicht verschwiegen werden, dass Gerlinde Unverzagt natürlich großes Interesse hat, weiterhin im Fokus des öffentlichen Interesses zu stehen - ihr bald erscheinendes Buch “Elternsprechtag” ist schon jetzt eine Cashcow (”Goldesel” ). Und es darf nicht verschwiegen werden, dass das Lehrerhasserbuch durch die Stellungnahme keinen Deut lehrerfreundlicher wird.
Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare. Der Übersichtlichkeit halber haben wir die Kommentarfunktion zum ursprünglichen Beitrag deaktiviert.
Stellungnahme Gerlinde Unverzagts (E-Mail an Den Lehrerfreund, 10.04.2006, 20.42)
Guten Abend an alle, die sich hier öfter treffen. Ich habe ihre Kommentare inzwischen sorgfältig gelesen.
Nein, es gibt niemanden auf dieser Welt, den ich wirklich hasse, auch keine der Lehrer und Lehrerinnen, die mit ihrem Verhalten die Lern- und Lebensfreude meine Kinder beeinträchtigt haben. Wozu sollte das gut sein? Wie es zum Titel des Buches kam, ist inzwischen hinreichend bekannt. Es handelt sich um eine Reihe des Droemer Knaur Verlages.
Im Vorwort meines neuen Buches werden Sie folgende Zeilen lesen: “Wer glaubt, dass es genügt, den Überbringer schlechter Nachrichten mundtot zu machen, anstatt sich mit dem Inhalt seiner Botschaft zu befassen, mag weiterhin in dieses Horn stoßen. Ist mir wurscht, denn von da sind keine neuen Impulse, Ideen oder Lösungsvorschläge zu erwarten. Und schon gar kein Selbstkritik wenigstens probeweise in Betracht ziehendes Nachdenken über die Aspekte, die ich ja nur angesprochen habe, aber unter denen Schüler und ihre Eltern zu leiden haben.”
In jeder Sendung, in jedem Interview habe ich klar gestellt, dass es mir nicht um Hass geht. Möglicherweise haben wir auch einen Bedeutungswandel des Wortes “Hass” zu konstatieren: Wo die ältere Generation bei dem Wort “Hass” vielleicht noch marodierende Horden, entfesselte Volkstribune mit Schaum vor dem Mund oder brennende Synagogen assoziieren mag, bezeichnet der Hass heute eher aufsteigenden Zorn, anschwellendes Unbehagen und gewachsenen Unwillen bestimmten Situationen gegenüber, die einem zunehmend auf den Geist gehen. Diesem angestauten Ärger machen sich Autoren Luft, indem sie Bücher schreiben wie - “Frauenhasser”, “Männerhasser”, “Tennislehrerhasser” oder “Bahnhasser”. Es gibt webseiten, auf denen sich “Kinderhasser”,“Dorfhasser” und “Ossihasser” auslassen. Mein persönlicher Favorit ist der “Porreehasser - adelt diese Seite doch den Lauch als kollektiv beleidigungsfähiges Gemüse, das sich mangels Stimme nicht wehren kann. Wie die Kinder.
Mir geht es darum Zustände aufzuzeigen, über die sich in diesem Land kaum jemand öffentlich beklagt. Tausende von Nachrichten, die ich in den letzten Wochen erhalten habe, machen deutlich, dass das Buch zum Sprachrohr der Eltern geworden ist, die resigniert schweigen aus Angst davor, dass ihre Kinder die Folgen zu tragen haben. Und ich verstehe mich als jemand, der diesem frei flottierenden Unwillen eine Stimme geben will, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass diesen Stimmen Gehör verschafft werden muss. Denen der Eltern, die an der selbstherrlichen Paukerüberlegenheit verzweifelen, denen der Kinder, die nicht wissen, dass es Aufgabe eines Lehrers ist, sachlich, klar und korrekt in seinen Äußerungen zu sein und die nicht wissen, dass Willkür und ungezügelten Emotionen im Repertoire eines Lehrers nichts zu suchen haben, dem aber jeden Tag ausgeliefert sind.
Natürlich gibt es gute Lehrer in diesem Land. Ich unterstelle ihnen allen, dass sie im besten Wissen, der größten Motivation, nämlich der, es besser zu machen als ihre eigenen Lehrer - angetreten sind.
Und bitte - liebe hoch engagierten Lehrerinnen und Lehrer - Sie werden so viel Persönlichkeitskompetenz aufbringen, dass Sie ungehindert auch weiter gute Lehrer sein können, Ihr Talent und Ihre reife Persönlichkeitsstruktur bewahren werden, klar und souverän Ihren Unterricht machen, achtungsvoll mit Ihren Schülern umgehen und in Elterngesprächen zuhören und auf alle erdenkliche Weise Wege finden, wie sie den Kindern gerecht werden. Wovor also sollten Sie sich fürchten?
Ich bin selbst Tochter einer sehr fleißigen, rührigen und kompetenten Lehrerin, die sich jedenfalls von ihren Schülern nicht davon abhalten ließ, einen guten Unterricht zu machen und die in der Zeit, die andere Kollegen als ihre Freizeit bezeichneten, türkische Familienväter von der Notwendigkeit zu überzeugen trachtete, dass ihre Töchter besser einen Schulabschluss zustande bringen als irgendwo in der türkischen Wallachei zwangsverheiratet zu werden, mit besorgten Eltern lange Gespräche zu führen und heimische Metzger, Bäcker oder Kraftfahrzeugmechaniker zu überreden, diesem einen Jungen, diesem einen Mädchen eine Chance in Gestalt einer Lehrstelle zu geben. Übrigens echauffierte sie sich auch nicht weiter, wenn manche Eltern eben erst am Samstagabend gegen 22 Uhr den Weg zum Telefon fanden, um über die Schulsorgen ihrer Kinder zu reden. “Es geht ja schließlich um Kinder und ihren Lebensweg!”, hat sie meinen Geschwistern und mir dann immer noch entgegengehalten, wenn wir anfingen, herumzumaulen, weil wieder ein Mensch-ärger-dich-nicht-Spiel vom Telefonklingelnd unterbrochen wurde. Aber manchmal schüttelte sie den Kopf über die stets braungebrannten Sportlehrer, die Wege suchten, die Zeit zwischen Skiurlaub zu Ostern oder Tauchurlaub im Sommer mit möglichst geringem pädagogischen Einsatz über die Runden zu bringen. Mit 65 Jahren hat sie den Schuldienst verlassen, ohne einen einzigen Fehltag, keineswegs ausgebrannt, sondern mit leisem Bedauern, dass die schöne Zeit mit jungen Menschen nun vorbei sei.
Was ich will:
Ich will die konstruktive Diskussion auf allen Seiten, von allen Beteiligten und auf allen Ebenen und das, verehrte Mitglieder dieses Forums, geschieht gerade jetzt.
Mit besten Grüßen,
Gerlinde Unverzagt