Statik der Fachwerke (1) 01.10.2009, 09:40
Krantürme und Kranausleger sind aus Profilstäben gestaltete Fachwerke. Sie bieten den Vorteil eines minimalem Materialaufwands bei maximaler Stabilität. Wie ermittelt man die Stabkräfte in einem Fachwerk?
Stabkräfte in Fachwerkskonstruktionen
Krantürme und Kranausleger sind als Fachwerke, d. h. als Tragkonstruktionen aus Profilstäben gestaltet, wie man sie auch von Dachbindern oder Brücken her kennt. Wegen des minimalen Materialaufwands bieten sie den Vorteil eines geringen Eigengewichts.
Das einfachste Fachwerk besteht aus einem Dreiecksverband mit den Stäben 1, 2, 3 und den »Knoten« (Knotenpunkte) I, II, III, an die weitere Stäbe angeschlossen werden können. Ein solches Dreieck ist eine starre Figur. Die Stabverbindungen jedoch, die Knotenpunkte, werden mathematisch als gelenkige Scharniere betrachtet.
In der Praxis verbindet man die Stäbe oft durch angeschweißte Knotenbleche starr miteinander. Dann können auch Biegemomente übertragen werden. Weil diese aber unbedeutend sind, werden sie in Festigkeitsberechnungen durch eine geringere Spannung berücksichtigt.
Zug- oder Druckkräfte in Fachwerken
Wir bestimmen zeichnerisch die Größe der Zug- oder Druckkräfte, welche auf die Stäbe bei Belastung wirken. Die Stabkräfte sind innere Kräfte, Belastung und Stützkräfte dagegen äußere. In diesem System übertragen die Stäbe als so genannte Zweigelenkstäbe nur reine Zug- oder Druckkräfte aber keine Biegemomente. Die äußeren Kräfte lässt man deshalb an den Knotenpunkten angreifen bzw. reduziert sie dort hin.
In Zweigelenkstäben treten nur Zug- oder Druckkräfte auf, wenn der Stab nur durch Kräfte in den Gelenken A und B belastet wird. Nimmt man die Lager A und B weg (man sagt: der Stab wird »frei gemacht«), müssen dafür Kräfte in Stabrichtung eingezeichnet werden.
Bei der Ermittlung der Stabkräfte bedient man sich des Cremona-Plans, eines zeichnerischen Verfahrens (übernächster Beitrag). Dazu braucht man - wie immer bei zeichnerischen Lösungen statischer Aufgaben - den maßstäblichen Lageplan. Die Stäbe werden mit arabischen, die Knotenpunkte mit römischen Ziffern in beliebiger Reihenfolge bezeichnet.
Die Stäbe 1, 4, 6 und 9 sind Obergurte, 2, 11 und 10 sind Untergurte, 3, 5, 7 und 8 sind Füllstäbe.
Zunächst berechnet man die Stützkräfte:
Man geht von folgender Überlegung aus: Wenn das Gesamtsystem (das Fachwerk) im Gleichgewicht sein soll, muss auch an jedem Knotenpunkt Gleichgewicht herrschen. Jeder Knoten ist der gemeinsame Angriffspunkt der auf ihn wirkenden Stabkräfte. In einem solchen zentralen Kräftesystem werden die Kraftrichtungen durch die Stabrichtungen bestimmt.
Man schneidet also jeden einzelnen Knoten aus dem Fachwerkverband heraus, und zeichnet dafür ein eigenes geschlossenes Krafteck. Entsprechend dem gewählten Kräftemaßstab lässt sich die Größe der Stabkräfte abmessen. Die gefundenen Kräfte setzt man im jeweils nächsten Krafteck ein, bis man schließlich alle Stabkräfte kennt.
Zunächst beginnt man an einem Knotenpunkt, an dem nur zwei unbekannte Stabkräfte angreifen, also z. B. mit Knoten I: Wir zeichnen maßstäblich die senkrechte Stützkraft FA. Zusammen mit Stabkraft 1 und Stabkraft 2 ergibt sich ein geschlossenes Krafteck. Die Richtungen der Stabkräfte erhält man durch Parallelverschiebung der Wirklinien aus dem Lageplan in den Kräfteplan. Sehr wichtig ist der Richtungssinn der Stabkräfte: Aus dem Umfahrungssinn des geschlossenen Kraftecks (z. B. für Knoten I) erkennt man, dass Stabkraft 1 nach links, 2 dagegen nach rechts unten gerichtet ist.
Nun überträgt man die Pfeile in den Lageplan unmittelbar neben den betrachteten Knoten, weil sich der Richtungssinn der Stabkräfte immer auf den Knoten bezieht. Damit wird klar gestellt, ob es sich um einen Zugstab oder um einen Druckstab handelt. Es gilt: Ein zum Knoten weisender Pfeil bedeutet Druck auf den Knoten, es liegt also ein Druckstab vor (Stab l); andernfalls ist der Stab (wie Stab 2) ein Zugstab.
Im Kräfteplan werden die Zugstäbe mit Plus-, die Druckstäbe mit Minuszeichen gekennzeichnet.
Wenn Stab l den Knoten I nach links drückt (Pfeil nach links), wird das andere Stabende den Knoten II nach rechts drücken (Pfeil nach rechts). Man kann also immer gleich zwei entgegengesetzte Pfeile im Lageplan einzeichnen und hat damit den Richtungssinn der Stabkraft auch am anderen Knotenpunkt. Nun kann man Krafteck II zeichnen. Vorsicht: Nachlässigkeit bei der Übertragung der Richtungspfeile ist ein häufiger Grund für Fehler!
Im einem der nächsten Beiträge ermitteln wir die Stabkräfte mit dem CREMONA-Plan.