Hebebühne (1): Scherenbühne 06.04.2015, 07:17
Wir stellen eine Einfachscheren-Hebebühne vor. Doch – so einfach die Konstruktion aussieht, so aufwendig wird es, wenn man versucht, die am Scherenhebel wirkenden Kräfte zu ermitteln.
Hebebühne (1): Scherenbühne
Wir werden zunächst Feststellungen zur Geometrie dieser so einfach aussehenden Konstruktion treffen.
Ausgangspunkt ist eine Einfachscheren-Hebebühne wie im Bild unten. Es zeigt den Aufbau und benennt die Bauteile der Scherenbühne. Mit ihren Abmessungen ist sie einer auf dem Markt befindlichen Hebebühne nachempfunden.
Kurze Beschreibung:
Die Hubbühne wird von einem E-Motor mit angeflanschtem Hydraulikaggregat angetrieben. Ihr Zweck liegt darin, Lasten nach oben oder unten zu bewegen, oder Niveauunterschiede auszugleichen. Seitliche Bewegungen sind nicht möglich. Die Hebebühne wird über Scherenhebel-Elemente bewegt. Ein Scherenhebel oder Scherenhebel-Element besteht aus zwei über Kreuz gelegte Stäben, die in der Mitte gelenkig verbunden sind. Diese Verbindung erlaubt das Aufklappen und Zuklappen der “Schere” – genau wie bei einer Papierschere.
Hier für die Verwendung im Unterricht eine Zeichnung ohne Beschriftungen:
In den Bildern 1 bis 4 unten ist die Scherenkonstruktion schematisch dargestellt.
Wir machen uns Gedanken zu ihren Einzelteilen und der Scheren-Geometrie.
Bild 1 unten: Hebel 2 dreht sich um A. Dabei beschreibt P1 einen Bogen mit R1 und wandert dabei nach P1´. Die Hebelmitte PM bewegt sich auf dem Radius RM. PM macht dabei die seitliche Bewegung aM.
Bild 2: Hebel 1 und Hebel 2 werden im Drehpunkt PM zur Schere verbunden. Beim Einklappen des Hebels 2 wird Hebel 1 mitgenommen. Dabei könnte Hebel 1 alle möglichen Lagen einnehmen. Dies ist aber nicht im Sinne einer Hebebühne. Lösung: Hebel 1 daran hindern, dass er pendelt.
Bild 3: Die Hebebühne braucht notwendigerweise eine Bodenplatte, hier als Fuß bezeichnet, der Hebel 1 führt, und eine obere Plattform, die sowohl P1 als auch P2 in einer horizontalen Position hält. Die Hebel 1 und 2 sind im Fuß und in der Plattform fest gelagert.
Weil P1 beim Einklappen nach links wandert, muss P1 eine Gleitmöglichkeit besitzen. Sie ist hier als Rolle ausgeführt, die die horizontale Bewegung ermöglicht. Die Scherengeometrie nimmt auch die untere Rolle nach links mit. Dabei ergibt sich aus Symmetriegründen sowohl zwischen den Punkten A und B sowie zwischen den beiden Rollen oben und unten derselbe senkrechte Abstand.
Bild 4: Die Hebebühne lässt sich nicht ganz nach unten einklappen. Grund: der Hydraulikzylinder, der Platz benötigt.
Bei Platznot und großen Hubhöhen sind Einfachscheren-Hebebühnen, auch wegen ihrer Plattformlänge, oft nicht mehr praktisch.
In diesem Fall ist die Doppelscheren-Hebebühne vorteilhafter. Durch die Anordnung von zwei Scherenpaaren übereinander lässt sich gegenüber der Einfachschere die doppelte Hubhöhe erreichen. Bei Mehrscheren-Konstruktionen geht man bis zu ca. 8 m Hubhöhe.
Wir berechnen den Hebel 2 (Bild ganz oben). Auf der Plattform steht mittig eine Last FL. Sie verteilt sich bei vier Hebeln auf vier Auflagerpunkte. Hebel 2 wird also mit F1 = F2 = FL / 4 belastet.
Unten: Hebel 2 vorbereitet für das Freimachen, aber ohne Kräfte. Sie sollen in die Skizze eingetragen werden.
Im späteren Beitrag »Hebebühne (2): Kräfte am Scherenhebel« finden Sie die Berechnung.
Anmerkungen zu der Frage: Wie viel Festigkeits-Berechnung braucht eine mechanische Konstruktion?
Es hat wohl noch nie jemand nachgezählt, wie oft Konstrukteure die Mathematik bemühen, wenn sie Baugruppen, Geräte und Maschinen konstruieren. Wahrscheinlich schieben sie das Rechnen so lange hinaus wie möglich – sie werden sich vorrangig auf ihre Erfahrung mit ähnlichen Konstruktionen und auf ihr Gefühl verlassen. Wo allerdings Menschen gefährdet sind (Hubbühnen, Krane usw.), geht es ohne konkrete Zahlen nicht.
Ähnlich wird auch die vorliegende Hebebühne entstanden sein. Der Konstrukteur weiß, wo Schwachpunkte in der Festigkeit sein könnten und wird auf diese Stellen beim Konstruieren sein Augenmerk richten. Im Fall der Hebebühne sind es die Gelenke, aber auch die Rollen, die hohen Flächenpressungen ausgesetzt sind. Hier hilft ihm oft genug eine Überschlagsrechnung weiter, um zu sehen, wie weit entfernt er von gefährlichen Zuständen ist. Auch erkennt er sofort, dass in heruntergefahrener Position der Hydraulikzylinder ziemlich würgen muss, um den flachen Hebel wieder aufzurichten. Dies ist mit besonderen Schmerzen für den Gelenkbolzen und den Hebelquerschnitt verbunden. Um diese Kraft genau zu ermitteln, müssten wir wissen, was sich an Hebel 2 insgesamt kräftemäßig abspielt.
Die Hebebühne wird auch mit einer nur angenäherten Kenntnis dieser Kräfte eine brauchbare Konstruktion werden. Dazu kommt, dass der Hersteller zunächst einen Prototyp bauen lassen wird, den er nach allen Regeln der Kunst testet. Dabei werden Messungen ergeben, wo welche Lasten wirken. In ihnen wäre sogar die Reibung, die wir gerne vernachlässigen, inbegriffen.