Getriebewelle berechnen 16.10.2015, 06:01
Wie berechnet man in einem Zahnradgetriebe die an Zahnrädern und Wellen angreifenden Kräfte und Drehmomente?
Getriebewelle berechnen
Im tec.LEHRERFREUND-Beitrag »Lernprojekt Zweigang-Getriebe« ist eine Getriebewelle zu berechnen. Im vorliegenden Beitrag bereiten wir die Aufgabe vor.
Das skizzierte zweistufige, nicht schaltbare Getriebe wird mit nzu = 750 1/min angetrieben; es nimmt Pzu = 2,5 kW auf. Die Zahnräder sind geradeverzahnt mit 20° Eingriffswinkel; ihr Modul ist 2,0 mm.
Die Zähnezahlen sind:
z1 = 31
z2 = 80
z3 = 29
z4 = 86
Die dazugehörigen Teilkreisdurchmesser sind
d1 = z1 • m = 31 • 2,0 mm = 62 mm;
d2 = 160;
d3 = 58;
d4 = 172
Die Übersetzungen im Getriebe sind:
i1-2 = z2 : z1 = 80 : 31 = 2,581
i3-4 = z4 : z3 = 86 : 29 = 2,966
iges = (z2 : z1) • (z4 : z3) = 7,653
Aufgabe
Wir berechnen die von der Abtriebswelle III übertragenen Kräfte (auch Lagerkräfte), Drehzahl und Drehmomente.
Das an Welle I wirkende Drehmoment MI lässt sich aus der Drehzahl n1 (nzu) und der Leistung P1 (Pzu) berechnen:
Aus P1 = MI • n1 : 9550 ergibt sich
MI = P1 • 9550 : n1 = 2,5 • 9550 : 750 = 31,833 Nm
MII = MI • i1-2 = 31,833 Nm • 2,581 = 82,162 Nm
MIII = MII • i3-4 = 82,162 Nm • 2,996 = 246,157 Nm
nab = nzu : iges = 750 1/min : 7,653 =
nab = 98,1 1/min
Daraus berechnen wir die am Zahnrad 4 wirkende Umfangskraft (Skizze a))
MIII = FU4 • d4 / 2 ––>
FU4 = 2 • MIII/ d4 = 2 • 246,157 Nm / 0,172 m
FU4 = 2 862 N
FU4 ist die horizontale Komponente der Kraft F4, die in Richtung der unter 20° liegenden Eingriffslinie wirkt (Skizze b)).
Eingrifflinie (Skizze):
Der Berührungspunkt zweier Zahnflanken bewegt sich während des gesamten Eingriffs auf einer Geraden, der Eingriffslinie. Den Winkel, um den die Eingriffslinie geneigt ist, nennt man Eingriffswinkel; er beträgt üblicherweise 20°.
Sehr gute Erläuterungen dazu finden Sie hier.
Anmerkung zur Formel P1 = MI • n1 : 9550
Die Formel ist als Zahlenwertgleichung geschrieben. Bei der Verwendung solcher Gleichungen werden keine Einheiten eingesetzt; man muss sich einfach strikt an die im Tabellenbuch oder in sonst einem Formelwerk angegebenen Maßeinheiten halten. In der vorliegenden Formel sind dies:
- Leistung P in kW
- Drehzahl n in 1/min und
- Drehmoment M in Nm
In der Umrechnungszahl 9550 sind mehrere Einzel-Umrechnungszahlen zusammengefasst, die wir hier nicht im Einzelnen besprechen wollen. Würde man zu einer Berechnung mit P = M • n : 9550 nur die Einheiten für M und n schreiben, ergäbe sich eine Leistung mit der (falschen) Einheit Nm/min (anstatt kW). Genau dies ist die Aufgabe des Faktors 9550: Er bewerkstelligt den Ausgleich für die fehlenden Einheiten.
Skizze b), nicht maßstäblich
F4 = FU4 : cos α = 2 862 N : 0,94 =
F4 = 3 045 N
Welche Kräfte beanspruchen die Welle III?
Man erkennt es besser, wenn man F4 zwei Mal als F4a und F4b hinzufügt (Skizze c)). Dadurch wird an der Kraftwirkung nichts verändert, denn die beiden Kräfte heben sich gegenseitig auf. F4 und F4b ergeben ein Kräftepaar, das die Welle III verdreht; F4a wirkt in Wellenmitte und übt eine Biegekraft auf die Welle aus. F4a erzeugt auch die Lagerkräfte FA und FB.
Aus der Skizze »Welle und Kräfte« berechnen wir die sich aus F4 ergebenden waagrechten und senkrechten Komponenten.
F4h = F4 • cos α = 3 045 N • 0,94 =
F4h = 2 862 N
F4 • sin α = 3 045 N • 0,342 =
F4v = 1 041 N
Lagerkräfte FA und FB
Waagrechte Komponenten
ΣM(B) = 0 = FAh • (lA + lB) – F4h • lB ; F4h = 2 862 N
FAh = F4h • lB : (lA + lB) = 2 862 N • 35 mm : 85 mm =
FAh = 1104 N
ΣFx = 0 = FAh – F4h + FBh ––> FBh = F4h – FAh = 2 862 N – 1 178 N
FBh = 1 684 N
Senkrechte Komponenten
ΣM(B) = 0 = F4v • lB – FAv • (lA + lB) = 1 041 N • 35 mm – FAv • 85 mm
FAv = 429 N
ΣFy = 0 = F4v – FAv – FBv
FBv = F4v – FAv = 1 041 N – 429 N =
FBv = 612 N